Die Zukunftsinitiative Klima.Werk ist ein Zusammenschluss von Emschergenossenschaft und 16 Städten der Emscher-Region. Was war der Auslöser für die Initiative, mit der sie die Emscher-Region klimaresilienter machen wollen?
Da müssen wir bis ins Jahr 2004/2005 zurückgehen. Damals gab es erste Überlegungen im Rahmen des Emscher-Umbaus, wie wir in der Emscher-Region mit Regenwasser umgehen und es im Sinne der damals schon aufkommenden Diskussionen um den Klimawandel nutzbar machen. Damals wurde vereinbart, dass wir den Regenwasserabfluss in die Kanalisation deutlich reduzieren. Stattdessen sollte Regenwasser direkt in Grünflächen versickern, den Bachläufen zufließen oder gespeichert werden, um Stadtgrün zu bewässern. Im Emscher-Gebiet sind mittlerweile auch in fast jeder Stadt mehr als 10 % der versiegelten Fläche abgekoppelt, sodass das Regenwasser zu einem besseren Mikroklima beiträgt.
Dies war der Auslöser und Startschuss der Partnerschaft zwischen Emschergenossenschaft und den Kommunen, die weiter fortgeführt wurde und 2014 schließlich im Projekt „Wasser in der Stadt von morgen“ mündete – dem Vorläufer der heutigen Zukunftsinitiative Klima.Werk.
Seit 2021 ist dieses Vorhaben unter dem Dach der Zukunftsinitiative Klima.Werk gebündelt. Wie hat sich das Projekt in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Ein entscheidender Schritt war 2019 die Ruhrkonferenz, auf der die Frage aufkam: Gibt es im Bereich Umwelt und Klimaschutz ein Projekt, das wir mit einer gewissen Breitenwirkung hier in der Region auf die Straße bringen können? Daraus ist mit der „Klimaresilienten Region mit internationaler Strahlkraft“ eine Förderrichtlinie entstanden, die in den nächsten zehn Jahren 250 Millionen Euro für Klimaanpassungsmaßnahmen zur Verfügung stellt. Dabei ist sie nicht nur auf die Emscher-Region beschränkt, sondern umfasst alle Ruhrgebietsstädte an Emscher und Lippe bis hin zum Niederrhein und fördert so wirkungsvolle Maßnahmen: die schon genannten Abkopplungs- und Versickerungsmaßnahmen, Mulden, Rigolen, Gründächer, -fassaden und einiges mehr.
Aus der Ruhrkonferenz und der zuvor schon erprobten Zusammenarbeit mit den Kommunen ist somit schließlich die Zukunftsinitiative entstanden, bei der wir als Emschergenossenschaft eine Serviceorganisation etabliert haben, die aus den Kommunen die Projektideen einsammelt und über konkrete Förderanträge die entsprechenden Fördermittel zur Verfügung stellt.
Können Sie uns beispielhaft eine solche Projektidee und ihre Umsetzung schildern?
Da gibt es einige beispielgebende Erfolge in den vergangenen Jahren, wie Baumrigolen, die unter anderem in Bochum zu sehen sind. Baumrigolen sind eine Art unterirdisches Bewässerungssystem, das Regenwasser wie ein Schwamm aufnimmt und speichert. Das Prinzip der Schwammstadt ist das zentrale Element der Zukunftsinitiative und durchdringt sämtliche Maßnahmen. In Bochum werden diese Baumrigolen mittlerweile bei allen Kanalbaumaßnahmen integriert, gut zu sehen ist dies zum Beispiel an der zentralen Hattinger Straße.
Welche nächsten Maßnahmen sind geplant?
Zusammen mit den Kommunen haben wir schon viel erreicht und die Sensibilisierung für Themen wie Dürre und Starkregen – auch bedingt die Flutkatastrophe 2021 – ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Ein aktuelles Projekt ist der Hitzeaktionsplan, den wir gemeinsam mit den Kommunen entwickelt haben. Insgesamt müssen wir noch mehr von einer asphalt- und autogetriebenen Stadt hin zu einer blau-grünen, nachhaltigen Stadt. Ein Beispiel, das wir aktuell in Herne umgesetzt haben, ist ein sogenannter Klimaparkplatz, auf dem wir Regenwasser gezielt ableiten, es verdunsten lassen und es in die beschriebenen Baumrigolen fließen lassen.
Wirtschaft und
private Akteure mit
einbeziehen
Ein nächster Schritt ist zudem, dass wir auch Wirtschaft und private Akteure stärker mit einbinden. Beim Thema Dachbegrünungen sind wir beispielsweise mit Wohnungsunternehmen wie Vonovia oder Vivawest im Austausch. In diesem Frühjahr geht zudem ein großes Gründächer-Programm an den Start, bei dem private Akteure ganz unbürokratisch eine Pauschalförderung für ein solches Dach stellen können.
Trotz dieser Maßnahmen und Erfolgsgeschichten betonen Sie aber auch, dass wir eigentlich noch viel mehr Tempo beim Klimaschutz benötigen.
Und genau deshalb müssen wir diese Erfolgskonzepte, die sich bewährt haben und dem Mikroklima nachweislich zugutekommen, in der Breite ausrollen und bei jeder neuen stadtplanerischen Maßnahme von Anfang an mitdenken.
In solch einem städteübergreifenden Projekt ist die Organisation sicherlich eine riesige Herausforderung. Welche Struktur haben Sie mit der Zukunftsinitiative Klima.Werk geschaffen, damit dies gelingt?
Einmal im Jahr kommen mehr als 300 Expert:innen aus den Kommunen zusammen, tauschen sich über aktuelle Entwicklungen und Best Practices aus. Wichtig ist aber vor allem das dezentrale, selbstorganisierte Netzwerk, das sich durch die jahrelange Zusammenarbeit etabliert hat. In jeder Stadt gibt es Stadtkoordinatoren, die die Aktivitäten der Kommune zusammentragen und sich monatlich mit ihren Fachkolleg:innen aus den anderen Städten zusammensetzen. Der integrale Ansatz mit allen Professionen – von Wasserwirtschaft über Stadtplanung bis hin zur Bauordnung und Grünbereich – die direkt zu Beginn einer Maßnahmenumsetzung zusammenkommen und auf Augenhöhe gemeinsame Lösungen finden, ist dafür ganz entscheidend.
Kann diese kulturelle Entwicklung der Zusammenarbeit nicht beispielhaft sein für andere gesellschaftsrelevante Themenfelder, die das Ruhrgebiet in den nächsten Jahren beschäftigt?
Kultur des
Miteinanders
Definitiv. Entscheidend ist eine Kultur des Miteinanders, in der Projekte gemeinsam gedacht und sozusagen auch gemeinsam gewonnen werden, indem sie einen Mehrwert für alle bieten. Das braucht aber seine Zeit und die entsprechenden Freiräume. Das System der Stadtkoordinatoren hat auch einige Jahre gebraucht und musste organisch wachsen.
An dieser Stelle sind die Kirchtürme, die es im Ruhrgebiet noch heute oftmals gibt, weggefallen. Wir erleben immer wieder, dass wir auf der Governance-Ebene im Ruhrgebiet ein Problem haben. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass oftmals versucht wurde, Lösungen zu finden, die nicht praktikabel sind und auf die sich keiner wirklich einlassen will. Ein Beispiel dafür ist die Idee eines gemeinsamen Regierungsbezirkes oder der „Ruhrstadt“. Wir sollten lieber ein paar Ebenen darunter schauen, welche Themen es gibt, die keiner allein lösen kann und wo Zusammenarbeit geboten ist – beispielweise bei der Klimaanpassung.
Wenn Sie uns mit Blick auf die Klimamaßnahmen in der Zukunftsinitiative Klima.Werk einen Ausblick geben: Wo steht das Ruhrgebiet in einigen Jahren in diesem Themenfeld?
Da möchte ich Dr. Frank Dudda (Anm. d. Red.: Oberbürgermeister der Stadt Herne, Vorsitzender der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr & Aufsichtsratsvorsitzender der Emschergenossenschaft) zitieren, der das Ziel klar formuliert hat: Das Ruhrgebiet soll die grünste Industrieregion der Welt werden! Dazu gehört u.a., dass wir bis 2040 25 Prozent der versiegelten Fläche abkoppeln und um mehr als zehn Prozentpunkte die Verdunstungsrate steigern. Das ist sehr ambitioniert, aber auch dringend nötig für ein gesundes Klima in den Städten. Eine funktionierende Hochwasser- und Starkregen-Infrastruktur ist am Ende auch für die Wirtschaft ein wichtiger Standortvorteil.