Interview:NRW.Bank – Mit gezielten Förderimpulsen für ein klima- und gründerfreundliches Ruhrgebiet

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Fotocredit: NRW.Bank

Interview

Eckhard Forst

Eckhard Forst

Vorstandsvorsitzender der NRW.Bank

Mit dem Gründerfonds Ruhr hat die NRW.Bank 2017 gemeinsam mit dem Initiativkreis Ruhr eine Frühphasenfinanzierung für Startups ins Leben gerufen. Wie der Fonds bis heute zur Entwicklung des Startup Ökosystem Ruhr beiträgt, erzählt uns Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.Bank, im Interview. Außerdem erklärt er, wie die Förderbank mit Green Bonds klimafreundliche Investitionen unterstützen will und worin Stärken, aber auch künftige Herausforderungen für das Ruhrgebiet liegen.

In ihren regionalwirtschaftlichen Profilen nehmen Sie als NRW.BANK regelmäßig die Wirtschaftsregionen Nordrhein-Westfalens unter die Lupe. Dem Ruhrgebiet haben Sie zuletzt positive Entwicklungstendenzen attestiert und betont, dass der Strukturwandel wirke. Inwiefern macht sich dies bemerkbar?

Viele Jahre lang lag das Ruhrgebiet in Sachen Wachstum hinter dem gesamten Bundesland. Das hat sich aktuell verändert und ist eine gute Entwicklung für die Region. Vor allem die Dienstleistungsbranchen haben sich dabei als Konjunkturstütze erwiesen. Diese machen mittlerweile einen Großteil der regionalen Wertschöpfung aus. Auch bei Unternehmensgründungen liegen einzelne Gebiete des Ruhrgebiets mittlerweile in der Spitzengruppe in NRW. Die Stadt Essen zum Beispiel ist bei Jungunternehmern sehr beliebt und belegt bei Neugründungen zwischenzeitlich nach Düsseldorf und Köln Platz Drei. Das liegt zum einen an dem guten Ruf Essens als Medizinstandort, aber auch an der räumlichen Nähe zu wichtigen Industrieunternehmen sowie den Aktivitäten des Gründerfonds Ruhr und der Gründungsberatung für Studierende an der Universität.

Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen für die Wirtschaftsregion Ruhr?

In der Metropole Ruhr zeigen sich positive Entwicklungstendenzen in der Wirtschaft. Allerdings hinkt die Wirtschaftsregion in einigen Werten noch hinterher. So erreicht der Wohlstand gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nur 85 Prozent des NRW-Durchschnitts. Auch die Arbeitslosenquote stellt eine Herausforderung dar. Hintergrund ist der jahrzehntelange Strukturwandel, der das produzierende Gewerbe im Ruhrgebiet besonders hart getroffen hat.

Wie wichtig ist der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet für das Bundesland NRW?

Sehr wichtig, denn mit über fünf Millionen Einwohnern leben im Ruhrgebiet fast 30 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung. Fast ein Viertel der gesamten Wertschöpfung in NRW wird im Ruhrgebiet erwirtschaftet. Energie, Logistik, Chemie und Gesundheitswirtschaft bilden heute die wirtschaftlichen Schwerpunkte der Region. Nach wie vor hat die Montanindustrie im Ruhrgebiet einen hohen Stellenwert. Vor allem in Duisburg finden sich bundesweit bedeutende Kokereien und Hochhöfen. Aber wie auch der Rest der Republik muss das Ruhrgebiet die digitale und nachhaltige Transformation stemmen. Besonders für industriell geprägte Regionen wie das Ruhrgebiet bedeutet das eine große Herausforderung, aber zugleich eine große Chance. Bochum zum Beispiel ist Weltklasse in Kryptografie - dort werden vertrauenswürdige IT-Systeme entwickelt, die weltweit gefragt sind. Denn eine sichere Kommunikation ist die Grundlage für unsere vernetzte Welt.

Wie groß ist die Verantwortung einer Förderbank, auf die gesellschaftlichen Herausforderungen wie den Klimawandel Einfluss zu nehmen? Wie können Sie etwas bewirken?

Unser Ziel ist ganz klar: Das Land dabei unterstützen, dass Nordrhein-Westfalen das erste funktionierende, also wirtschaftlich erfolgreiche und sozial ausgewogene Industrieland wird, das die Klimaziele erreicht. Wir setzen als Förderbank gezielte Förderimpulse, um die Transformationsprozesse zu verstärken. Ökonomie und Ökologie müssen dabei Hand in Hand gehen. Niemand investiert in Klimaschutz, wenn es nicht wirtschaftliche Vorteile hat. Insofern führt kein Weg an den Unternehmen vorbei. Denn sie sind es, die Investitionen in erneuerbare Energien, effizientere Maschinen oder in die Entwicklung klimafreundlicher Produkte umsetzen müssen. Das tun sie aber nur, wenn sich das für sie auch betriebswirtschaftlich rechnet. Indem wir als Förderbank passgenaue Finanzierungsmöglichkeiten und Beratungsangebote bereitstellen, machen wir Investitionen in nachhaltige Produkte und Prozesse für die Unternehmen attraktiver. So bewirkt unsere Förderung also einerseits ökologischen Fortschritt – und stärkt andererseits gerade dadurch auch die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen. 

Unser Ziel ist ganz klar: Das Land dabei unterstützen, dass Nordrhein-Westfalen das erste funktionierende, also wirtschaftlich erfolgreiche und sozial ausgewogene Industrieland wird, das die Klimaziele erreicht.

Eckhard Forst

Seit 2013 emittiert die NRW.BANK regelmäßig Green Bonds – was ist das Geheimrezept?

Mit den Green Bonds wollen wir dazu beitragen, mehr finanzielle Mittel in klimafreundliche Investitionen zu lenken. Natürlich steht das 1,5 Grad-Ziel im Fokus, wir dürfen aber nicht vergessen, die Resilienz der Region zu steigern. Nur so können wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen.  Was die Investoren dabei besonders an unserem Produkt schätzen, ist die Transparenz über die Mittelverwendung und das, was mit den Bonds erreicht wird.

NRW Bank 1

Kann man beziffern, wie sich die Green Bonds auf die Umwelt ausgewirkt haben?

Seit 2013 hat die NRW.BANK 14 grüne Anleihen begeben. Die mit ihnen erreichten CO2-Einsparungen addieren sich in etwa auf 25 Millionen Tonnen CO2. Mit den Green Bonds werden zum Beispiel klimafreundliche ÖPNV-Fahrzeuge, energieeffiziente Gebäudesanierung sowie erneuerbare Energien wie Windenergie und Photovoltaik refinanziert. Eines der größten Projekte ist die Renaturierung von Emscher und Lippe. Von den 328 Kilometern Fluss- und Bachläufen im Emscher-System sind bereits 164 Kilometer renaturiert. Bis heute sind echte Feuchtgebiete wie Wasserflächen oder Auen geschaffen worden, die einer Fläche von 208 Fußballfeldern entsprechen. Das hat zu einer enormen Zunahme der Biodiversität geführt. Zuletzt wurden mehr als 350 verschiedene Arten gezählt.  Und es gibt auch noch andere positive Effekte, denn zur Flussrenaturierung gehört auch der Ausbau von Hochwasserrückhaltebecken entlang der Emscher. Diese verhinderten nach dem Unwetter im Juli vergangenen Jahres größere Überflutungen im Emscher-Gebiet.

In diesem Jahr haben wir übrigens auch unseren insgesamt siebten Social Bond emittiert. Die Anleihe zielt darauf ab, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Schwerpunkte sind Projekte zur Förderung von privatem Wohneigentum insbesondere für Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen. Außerdem refinanziert die Bank damit Projekte zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Unterstützung von Kommunen etwa beim Thema der schulischen Bildung.

Gemeinsam mit dem Initiativkreis Ruhr haben Sie vor einigen Jahren mit dem Gründerfonds Ruhr eine Frühphasenfinanzierung für Startups ins Leben gerufen. Wie hat sich der Fonds seit seinem Start 2017 entwickelt und wie trägt er auch heute noch konkret zur Entwicklung des Startup-Ökosystems Ruhr bei?

Der Gründerfonds entwickelt sich sehr positiv. Den Portfolioausbau haben wir vor kurzem mit zehn Investments erfolgreich abgeschlossen. Was das Portfolio so besonders macht, ist die gute inhaltliche Breite, wie zum Beispiel Digitalwirtschaft, Halbleitersegment, Cybersecurity, Medizintechnik, Life Science, Logistik. Das sind alles Branchen, die Zukunft gestalten. Es entwickeln sich erste sehr erfolgreiche Exit-Aktivitäten und wir sehen, dass sich der Gründerfonds Ruhr gut in das Startup Ecosystem des Ruhrgebiets mit all seinen regionalen Partnern wie den Initiativkreis Ruhr oder den Universitäten und Forschungsinstituten vernetzt hat. Mit einem Gründerfonds Ruhr II wollen wir an diesen Erfolg anknüpfen, um das Ruhrgebiet weiter voranzubringen.

Im Zuge der Inflation und des Zinsanstiegs ist allgemein jedoch eine Zurückhaltung bei der Startup-Finanzierung zu spüren. Bei den Neugründungen im ersten Halbjahr 2023 liegt NRW zudem nur auf Platz sieben. Was stimmt Sie mit Blick auf NRW und gerade auch mit Blick auf das Gründungsklima in unserer Region optimistisch, dass der Trend in nächster Zeit nach oben zeigt?

Die aktuellen äußeren Rahmenbedingungen treffen alle deutschen Startups ähnlich, da macht Nordrhein-Westfalen keine Ausnahme. Der KfW-Gründungsmonitor 2023 bestätigt aber, dass die Anzahl an Gründungen trotz des herausfordernden Umfelds stabil ist. Das spricht für die hohe Motivation der Gründer und Gründerinnen. Die Dichte an Universitäten und Unternehmen sowie die hohe technische Expertise im Ruhrgebiet kann ein Vorteil gegenüber anderen Startup-Standorten sein. Das Ruhrgebiet und insgesamt das Land Nordrhein-Westfalen brauchen ein höheres Innovationstempo und mehr Ideen durch innovative Startups. Das muss finanziert werden! An der Stelle kommen wir als Förderbank ins Spiel.

Bei den Projekten und Startups, die die NRW.BANK fördert, geht es oft um zukunftsweisende Ideen. Gibt es ein aktuelles Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Da gibt es viele und sehr unterschiedliche. Demenz ist in Deutschland ein großes Thema, 1,8 Millionen Menschen sind hierzulande daran erkrankt. Die icho System GmbH aus Duisburg hat einen interaktiven Therapieball entwickelt, der die kognitiven und motorischen Fähigkeiten von Menschen mit neurologischen Erkrankungen trainieren soll. Ein anderes Beispiel ist die Energiestadt Lichtenau. Diese hat ihre in die Jahre gekommene Realschule grundlegend saniert und zum Mittelpunkt eines Klima-Campus gemacht, der fast vollständig mit regenerativen Energien versorgt wird. Die NRW.BANK unterstützte das sozial- und ökologisch-nachhaltige Infrastrukturprojekt mit mehreren Förderprogrammen. Ich könnte noch mehr Beispiele nennen, aber das würde den Rahmen sprengen. Aber alle Beispiele zeigen, dass Nordrhein-Westfalen ein Land voller guter Ideen ist. 

Vielen Dank für das Interview!